Mitten in Europa: Warum China im Kosovo-Konflikt Serbien unterstützt (2024)

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Von: Sven Hauberg

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Mitten in Europa: Warum China im Kosovo-Konflikt Serbien unterstützt (1)

Der Kosovo-Konflikt ist wieder eskaliert. China unterstützt dabei Serbien und stellt sich gegen die Nato. Das hat auch mit der Taiwan-Frage zu tun.

München/Peking – Es kommt eher selten vor, dass sich das Außenministerium in Peking zu den Nachwehen von Kommunalwahlen im fernen Europa äußert. Am Dienstag aber wollte der Staatssender CCTV von Außenamtssprecherin Mao Ning wissen, wie China zu den Ausschreitungen im Kosovo steht, die dort nach mehreren Gemeinderatswahlen ausgebrochen waren. „China verfolgt die Entwicklungen aufmerksam“, erklärte Mao. Und: Peking unterstütze „die Bemühungen Serbiens um die Wahrung seiner Souveränität und territorialen Integrität“ und lehne „einseitige Maßnahmen der provisorischen Institutionen in Pristina“ ab.

Im April fanden im Kosovo in vier mehrheitlich von Serben bewohnen Orten Kommunalwahlen statt. Diese waren von den Serben allerdings weitgehend boykottiert worden. Die albanische Minderheit übernahm daraufhin trotz einer geringen Wahlbeteiligung von nicht einmal 3,5 Prozent die Kontrolle über die Gemeinderäte. Der kosovarische Ministerpräsident setzte gegen den Widerstand der EU und der USA die Bürgermeister ein, was zu heftigen Protesten führte. Bei einem dieser Proteste in der Ortschaft Zvecan kam es zu Angriffen auf Soldaten der internationalen Schutztruppe Kfor, von denen 30 verletzt wurden. USA, EU und Deutschland verurteilten die Gewalt; die Nato verstärkte als Reaktion auf die Unruhen die Kfor-Truppen. Am Donnerstag forderte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic die Absetzung der albanischstämmigen Bürgermeister.

China erkennt das Kosovo nicht an

Wie auch Russland und einige EU-Staaten erkennt China die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. Die Schuld an den Ausschreitungen gab Peking nun indirekt der Nato: China fordere „die Nato auf, die Souveränität und territoriale Integrität“ Serbiens „zu respektieren und einen echten Beitrag zum Frieden in der Region zu leisten“, erklärte Außenamtssprecherin Mao Ning. Ähnlich einseitig argumentiert die Volksrepublik auch im Ukraine-Krieg: Für Peking, das Russlands Einmarsch bis heute nicht verurteilt hat, ist vor allem die Nato-Osterweiterung schuld an der Eskalation des Konflikts.

Konflikt im Kosovo

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnteKosovohatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt diesen Schritt bis heute nicht an und verlangt die Rückgabe seiner ehemaligen Provinz.

Die Kfor war 1999 nach einerNato-Intervention gegen Serbien mit rund 50.000 Mann insKosovoeingerückt. Auf Grundlage eines Mandats des UN-Sicherheitsrats ist sie für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Heute gehören ihr noch etwa 3800 Soldaten an, die meisten von ihnen kommen aus Italien, denUSA, Ungarn und derTürkei.Deutschland nimmt noch mit etwa 70 Soldaten am Kfor-Einsatz teil.

Hinzu kommt, dass Peking noch immer verärgert ist über das Bombardement seiner Botschaft in Belgrad durch Nato-Kampfjets – drei Menschen kamen dabei 1999 ums Leben, 21 wurden verletzt. Zum 23. Jahrestag der Tragödie Anfang Mai erklärte das Außenministerium in Peking, „das chinesische Volk“ werde „diese von der US-geführten Nato begangene barbarische Gräueltat nie vergessen“. Laut USA wurde die Botschaft aus Versehen getroffen, Ziel sei eigentlich eine jugoslawische Behörde gewesen.

Serbien und China: Strategische Partnerschaft und Infrastrukturprojekte

Für China ist Serbien seit Jahren einer der verlässlichsten Partner in der Region. Andere Länder in Ost- und Südosteuropa blicken indes seit Längerem kritisch auf Peking – nicht zuletzt, weil China im Ukraine-Krieg auf der Seite Russlands steht. Wie die Washington Post unlängst unter Berufung auf geleakte US-Militärdokumente berichtete, gelten den US-Geheimdiensten zufolge nur zwei Staaten in Europa als besonders anfällig für chinesische Annäherungsversuche: Deutschland – und Serbien.

Belgrad und Peking verbindet seit 2013 eine sogenannte „strategische Partnerschaft“. Serbien ist zudem Mitglied von Chinas Seidenstraßen-Initiative. Dem weltweiten Infrastrukturprojekt unterstellen Kritiker, nicht zuletzt Pekings geopolitischen Interessen zu dienen. Im Zentrum chinesischer Investitionen in Serbien stehen vor allem Projekte wie der Ausbau der Eisenbahnlinie von Belgrad nach Budapest. Sie soll eines Tages den von China kontrollierten griechischen Hafen in Piräus mit Westeuropa verbinden. Ebenfalls mit chinesischen Krediten wird derzeit eine Autobahn von Belgrad in die montenegrinische Hafenstadt Bar gebaut. Zudem sicherte sich 2018 ein chinesischer Konzern die Mehrheitsbeteiligung an einer der größten Kupferminen der Welt, die im Osten Serbiens liegt.

Serbiens Vucic küsst die Flagge des „eisernen Bruders“

Vorangetrieben wird diese enge Partnerschaft mit Peking vor allem von Aleksandar Vucic, der seit 2017 Präsident von Serbien ist. Als im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, sechs chinesische Mediziner zusammen mit Hilfsgütern in Belgrad landeten, küsste Vucic vor laufenden Kameras die chinesische Flagge und beschwor die Freundschaft zum „eisernen Bruder“ China. Wenig später ließ er sich einen chinesischen Corona-Impfstoff spritzen. Auch diesmal waren die Kameras dabei.

Im vergangenen Jahr ließ sich Belgrad sogar auf einen Waffendeal mit Peking ein und erwarb mehrere Flugabwehrsysteme made in China. Es war die erste Lieferung dieser Art an ein europäisches Land. Weil Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine als Waffenlieferant und ganz generell als akzeptabler Partner für Serbien ausfällt, bringt sich Peking zunehmend als Alternative zum Kreml in Stellung. Das chinesische Engagement scheint man in Belgrad zu begrüßen: Am Dienstag traf sich Vucic mit Chinas Botschafter und erklärte, Peking solle in dem Konflikt mit dem Kosovo seinen internationalen Einfluss spielen lassen.

Was der Kosovo-Konflikt mit Taiwan zu tun hat

Dass China in der Kosovo-Frage auf der Seite Serbiens steht, hängt laut Ana Krstinovska von der China-Denkfabrik Choice aber auch mit einem Konflikt zusammen, der sich derzeit rund 9.000 Kilometer östlich abspielt, in der Straße von Taiwan. China könne das Kosovo nicht anerkennen, weil Peking verhindern wolle, „dass Taiwan ähnliche Erfolge erzielt“, schreibt Krstinovska. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und droht damit, das demokratisch regierte Land mit Gewalt mit dem Festland zu vereinigen.

Auch im Konflikt zwischen Peking und Washington könnte das Kosovo zu einem Spielball der Großmächte werden. Das Verhältnis der beiden Länder pendelt derzeit zwischen vorsichtiger Annäherung und offener Feindseligkeit. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg zu Weltmacht unterdrücken zu wollen, gleichzeitig arbeitet Peking daran, im Schulterschluss mit Moskau die von den USA angeführte Weltordnung umzustürzen. Krstinovska warnt: „Sollten sich die amerikanisch-chinesischen Spannungen weiterhin auf scheinbar unbeteiligte Themen (wie den Krieg in der Ukraine) ausweiten, könnte Kosovo irgendwann zum Kollateralschaden werden.“

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